Band 55

 

 

Jürgen Coprian:

Salzwasserfahrten (7)

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auch als kindle- ebook für ca. 8 € bei amazon

 

Aus dem Inhalt:

Vorwort des Autors 

Das Ende (Küstenklatsch und Zeitungsmeldungen)  

Mit der BRANDENBURG nach Mexiko 

Leute an Bord 

Messe

Maschine

Schlechtwetter – und wie bereitet man sich vorbereitet

Freizeiten 

Mexiko

US-Golf – dann Heimreise

Die zweite Reise – Zentralamerika Westküste 

Dritte Reise – diesmal Westindien Festlandsdienst 

Abschluss eines Lebensabschnittes

insgesamt  173 Seiten


Leseprobe:

Gleich nach dem Festmachen in der großen Schleuse beginnt die Decksgang mit dem Seeklarmachen.  Erstmal die Bäume runter und dann geht’s mit den Luken weiter.  All hands sind inne Gänge.  Für den großen Seetörn werden die Luken mit drei Persennings abgedeckt.  Erst zwei leichte und obendrauf dann „die Feuerfeste“.  Verdammt schwer das Ding, denn durch die dicke Gummirung wiegt sie doppelt.  Jetzt im Sommer alles kein Problem, aber im Winter hart geworden wie Brett, wird das zur Tortur.  Dann braucht‘s viel Kraft und einige Erfahrung, die Persennings an den Ecken der Luken einzuschlagen oder unterzuschlagen, etwa so, wie ein geübter Packer ein Paket „einschlägt“.  Die stählernen Schalklatten werden vor die Persennings gelegt, und dann ist es mein Job, die Persenning rings um die Kumming rum mit dicken vorgefertigten Holzkeilen aus Buche zu ‚verschalken‘.  Auf diese Weise  kriegt man die Luke dann wasserdicht.
Leseprobe:
Der Storekeeper Hans: Ein Typ, den es näher zu beschreiben lohnt.  Story ist einigermaßen klein, aber muskulös, sehnig und flink, und wenn es sein muss blitzschnell.  Auffallend sein federnd ausgreifender Gang.  Weder am ziemlich braunen Gesicht noch am Körper eine Spur Fett, alles nur Muskeln und Sehnen.  Schwarzgelockte Haare, schwarze, intensiv und direkt blickende Augen.  Das Gesicht scharf geschnitten – rassig oder zigeunermäßig, ja wie soll man’s passend ausdrücken ohne dass es negativ klingt.  Hans stammt aus Offenbach; spricht nicht direkt Dialekt, aber doch mit leicht hessischem Akzent.  Ich selbst bin ja nahebei, nämlich in Frankfurt zu Hause, und so verstehen wir uns ziemlich gut von Anfang an.  Story ist ein richtiger Macho; (wenn auch dieser Ausdruck damals noch gar nicht in Gebrauch ist).
 
Leseprobe:

Es gibt eine kleine Sensation.  Auf der Überfahrt nach Cristobal hatte Leichtmatrose Stadler seine Fahrtzeit voll und wurde damit zum Matrosen befördert.  Die praktische Prüfung dazu muss dann nach dem Abmustern in Hamburg nachgeholt werden.  Aber jetzt kommt’s: Er fühlt sich eines Tages zum wiederholten Mal ungerecht behandelt.  Wir alle an Deck kommen mit dem Scheich, wie auch dem Ersten nicht so gut zurecht, wie wir’s gerne hätten.  Grund ist die Arroganz von oben und der mangelnde Rückhalt vom Scheich.  Nun ist der Stadler ein ausgemachter Tatmensch.  Holt ergrimmt seinen amtlichen Gesellenbrief als Heizungsbauer aus der Kammer und marschiert damit zur Kammer des Chiefs.  Legt dem die Papiere auf den Schreibtisch und fragt ihn einfach so ganz unverblümt, ob er denn künftig vielleicht als Reiniger in der Maschine fahren könnte.  Er hätte ganz einfach Lust dazu.  Der Chief ist sozusagen ‚von den Socken‘, und nachdem er sich von Stadler bestätigen ließ, dass er das wirklich ernst meint, schickt er ein Telegramm an die Reederei, ob die irgendwas dagegen einzuwenden hätten.  Durch den Einstieg von Wanne in Hamburg ist ja ein Mann mehr an Deck, so sind wir an Deck noch immer nach Vorschrift besetzt.  Die Antwort kommt gleich am nächsten Tag – keine Einwände – und ab sofort fährt Stadler im Fettkeller.  An Bord schlägt das mächtig ein.  Den Maschinesen ist er als Fachkraft sehr willkommen, aber der Erste und der Scheich gucken jetzt ziemlich dumm aus der Wäsche.  Wenn jemand in den Tropen ohne Not freiwillig die frische Seeluft gegen heiße Abgase und stickige Öldünste im Fettkeller eintauscht, nur um denen beiden einen bei zu pulen, dann das ist schon ein Hammer; kommt einer Backpfeife ziemlich nahe!  Heuermäßig macht es für Stadler keinen Unterschied.  Chief und Storekeeper dagegen freuen sich über einen zusätzlichen, dazu noch sehr guten Fachmann.

 

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MS BRANDENBURG vor der Insel Amapala

Leseprobe -
Fahrtzeit auf M/S BRANDENBURG
Ein Schiff, gelegentlich vom Pech verfolgt, das hin und wieder mal schlechte Schlagzeilen machte.  Als 1957 das Segelschulschiff PAMIR bei den Azoren in dem Hurrikan Carrie unterging, da war die BRANDENBURG nicht weit weg; sie hätte retten helfen können.  Dabei ist aber manches schief gelaufen.  Für den Funker war es die erste Reise und mangels Erfahrung war er mit diesem Notfall überfordert, während der Kapitän wegen einer akuten Erkrankung dienstunfähig war und es gab auch weitere Ungereimtheiten, weshalb man der PAMIR damals nicht zu Hilfe kam.
 
Um 1960/61 herum ist auf dem Schiff auch schon mal ein „Tankstellen-Mörder“ unerkannt als Besatzungsmitglied eine Reise lang mitgefahren. Die Hamburger Morgenpresse hatte mehrfach darüber berichtet, als ich noch auf der Werft arbeitete.  Jahre später in Puntarenas – einem Hafen an der Westküste von Costarica – wurde unter mysteriösen Umständen ein Besatzungsmitglied an Land ermordet.
 
Im Dezember 1970 ist die BRANDENBURG im Englischen Kanal nach einer Kollision mit dem wieder aufgeschwommenen Wrack eines kurz zuvor gesunkenen Tankers innerhalb weniger Minuten untergegangen.  Das Schiff hatte wie üblich große Mengen Stahl für die Karibik geladen und wegen des hohen Gewichts der Ladung war viel freier Raum in den Luken, so dass das ungehindert eindringende Wasser in kürzester Zeit den Dampfer absaufen ließ.  Von 31 Besatzungsmitgliedern und zwei mitreisenden Angehörigen haben nur elf Personen das Unglück überlebt.
 
Es war im Jahr 1966.  Seit zwei Wochen hing ich in Hamburg an der Küste rum und brauchte dringend einen Dampfer.  Nachdem ich einige Tage vergeblich mein Glück ‚auf’m Stall bei Max‘ versucht hatte – also das war nun auch wirklich nicht meine Welt dort – klopfte ich mal wieder bei Kuddel Hapag an.  Das altehrwürdige hauseigene Heuerbüro befindet sich noch immer in der Ferdinandstraße.  Und der Heuerboss Ehrich ist noch immer im Amt.  Lange Fahrtzeiten sind gerne gesehen dort und meine 19 Monate auf der „VALIENTE“ haben ihn wohl beeindruckt.  Ja, er hätte da was für mich – die „BRANDENBURG“.  Fährt Mexiko und US-Golf.  Nein, sonst wäre derzeit nichts anderes in Aussicht und auch nicht so bald.  Alles klar für mich: Ausgerechnet die BRANDENBURG, hinter vorgehaltener Hand gilt die als „Bewährungsschiff“.  Gebaut wurde sie 1950 bei der Lübecker Maschinenbau Gesellschaft und hat damit schon 16 Jahre auf dem Kiel.  Also ‚Hand-MacGregor‘ wie schon auf der alten COBURG und das Bordnetz mit altmodischen 110 Volt.  Da werd ich also wieder einen Zerhacker brauchen für mein Tonbandgerät.  Egal sag ich zu mir, wie lange willst du denn sonst hier noch rum hängen.
 
Ich weiß also, was mit dem Dampfer auf mich zukommt.  Trotzdem, als ich an Bord komme, meine künftige Kammer ist für mich ein Schock.  Die alte Burgklasse gilt seit langem schon als berüchtigt. DUISBURG, MAGDEBURG und AUSGBURG heißen die anderen drei Schlorren.  Dort wie hier vier Luken, zehn Bäume, Hand-MacGregor,  Hotel zur Schraube für die Crew.  Die Hapag hatte kürzlich großartig beschlossen, „unsere Unteroffiziere müssen Einzelkammern haben“.  Woher die nun einfach hernehmen auf so einem kleinen Schiff?  Weil der Zimmermann bis dahin immer mit dem Bootsmann in einer Kammer zusammen gehaust hatte – mittschiffs wohlgemerkt – musste er als Rangniederer da jetzt ausziehen. Weil man aber keine neue Kammer herbeizaubern kann, ist ein kluger Kopf darauf gekommen, kurzerhand die frühere Kartoffellast entsprechend umzufunktionieren.  Sie befindet sich im achteren Deckshaus an Steuerbordseite Vorkante.  Ein kleiner Raum von drei mal zwei Meter und zum Glück ausreichender Stehhöhe.  Direkt unter einer großen Ladewinde.  Zwei Bullaugen an Vorkante sind zum Glück vorhanden.  Hatte man also nur noch die blanken Eisenschotten innen mit Spanplatten zu verschalen; Koje, Tisch, Spind und Bank wurden eingebaut und als Clou dazu ein Waschbecken.  Weil, da ist man bei der Hapag konsequent; grundsätzlich steht Dienstgraden vom Unteroffizier aufwärts ein persönliches Waschbecken in der Kammer zu.
 
Ein Raum war gefunden, blieb also nur noch das Problem mit den Sanitäranschlüssen.  Man suchte eine Lösung und hat sich was einfallen lassen.  Der gefundene Ausweg sieht jetzt so aus.  Nach des Tages Arbeit geht der Zimmermann nach achtern, um sich dort in der Mannschaftsdusche den Dreck runter zu schrubben.  Genau genommen wird das Waschbecken ja eigentlich neben Händewaschen nur noch für das morgendliche Zähneputzen gebraucht.  Die Anbringung des Waschbeckens in der früheren Kartoffellast erweist sich als machbar.  Von der unter Deck von mittschiffs nach achtern führenden Frischwasserleitung eine Abzweigung einzurichten, das wäre eine Möglichkeit.  Unter dem Deckshaus ist ja Laderaum.  Wohin jetzt aber mit dem Schmutzwasser?  Über eine mehrfach gewundene Rohrleitung runter in die Laderaumbilge?  Also, wer soll denn das alles bezahlen. . . Der Aufwand für ein Rohr nach Außenbords erweist sich gleichfalls als kompliziert, das könnte Probleme mit dem Germanischen Lloyd geben und mit der SeeBG wegen der Bausicherheit.  Geht also auch nicht.  Schließlich kommt die Bauleitung der Hapag eine einfache, ja geniale Lösung. . . Wenn der Moses nach dem Frühstück morgens die Kammer aufklart, dann bringt er gleich eine Zinkpütz mit Frischwasser mit.  Füllt die dann in einen kleinen Tank oberhalb des Waschbeckens.  Von da kann das Wasser jetzt über den Wasserhahn ins Becken eingelassen werden.  Nach dem Waschen lässt man das gebrauchte Wasser ganz normal durch Ziehen des Stöpsels ablaufen.  Unter dem Waschbecken gibt es einen weiteren Behälter, da läuft die Brühe dann rein.  Der Moses nimmt den dann wieder mit und –  kippt das Schmutzwasser dann ein paar Meter weiter gleich über die Verschanzung weg direkt zurück ins Weltmeer.  Ja, so genial einfach ist das.  Übrigens in einem hat die Reederei sich hier großzügig gezeigt. Anders als für Mannschaften und Offiziere bisher übliche achtzig Zentimeter misst die Kojenbreite in der Kartoffellast hier stattliche einszwanzig.  Auf mein Erstaunen hin erklärt mir mein Vorgänger das als ein besonderes ‚Bonbon‘ von der Reederei, nämlich dass ich so auch meine Ehefrau für eine Reise mit unterbringen könne.  Also, ich glaub, der will mich verarschen, wo hätte man das bei Hapags je gehört, dass Besatzungsmitglieder mit Ausnahme der ‚Salonberechtigten‘ ihre Ehefrauen mitnehmen dürften.  Ist neu, sagt er, man will jetzt sozialer werden.  Ach so, deshalb also Einzelkammer!  Aber – die wenigsten Seeleute bei den Mannschaften sind überhaupt verheiratet – wer würde wohl seiner Frau das Pressluftschapp hier in diesem „Hotel zur Ladewinde“ zumuten wollen, wo doch jeder weiß, wie verdammt heiß es in der Karibik werden kann.
 
Am Auslauftag in Hamburg erlebe ich den Alten – genannt „der Wilde“ – so, wie er mir vorher schon beschrieben wurde.  Es ist das erste Mal nach einer Woche an Bord, dass ich den zu sehen bekomme.  Luke drei ist kurz vor dem Fertigwerden. Im Zwischendeck ist noch etwas Platz und der ist für ein paar VW-Käfer freigehalten worden.  Da erscheint der Alte auf der Klempnerwiese und pöbelt da runter und scheißt den Zweiten Offi zusammen, weil irgendwas nicht nach seiner Mütze ist.  Wenn überhaupt, so ist das da doch eine Bagatelle; muss der den Ladungsoffizier dafür nun runterputzen vor allen Leuten? Wo sich bereits einige von Angehörigen zum Abschied eingefunden haben und auch ein paar Leute von der Reederei da sind.  Na, denk ich bei mir, alles in allem kann das ja noch nett werden hier.
 
Was das Verhältnis Schiffsleitung zur Crew anbelangt, so bin ich ja vom letzten Dampfer her ziemlich verwöhnt.  Hier bei Kuddel herrschen wieder andere Sitten. Vom Alten bekomme ich während der Reise wenig zu sehen, und wenn, dann erlebe ich ihn meist großkotzig und autoritär.  Gelegentlich gebärdet er sich als cholerischer Saufbold.  An Bord weiß man, dass er die Abende gern mit Kartenspielen verbringt.  Zum Skat braucht er ja mindestens noch zwei Mitspieler.  Der Erste Offizier kann sich davon freihalten, weil er ja Vierachtwache geht und seinen Schlaf braucht.  Also bestellt der Alte sich abends den Chief und den Funker auf Kammer, damit die ihm Gesellschaft leisten.  Später wird es regelmäßig ziemlich laut da.  Der Chiefmate ist einer von der arroganten unnahbaren Sorte.  Der Chief ist in Ordnung, aber mir als Mitglied der Decksgang kann das auch egal sein.
 
Obwohl man hier – anders als „bei der Süd“ – noch drei Mann in der Kombüse fährt, muss das Essen deshalb nicht besonders gut sein; aufgrund meiner früheren Erfahrungen sag ich mal, es ist Hapag-mäßig ganz normal.  Heißt also, als Nachschlag gibt es Kartoffeln, auch noch Soße aus Mehlschwitze drauf, auch mal Gemüse aber ein zweites Stück Fleisch – nie.  Zum Nachtisch immer den gleichen Pudding, gelegentlich auch mal Kompott.  An frischem Obst wird gespart.  Die Mannschaftsmesse ist achtern, was bedeutet, dass der Messejunge das Essen für uns im Henkelmann von mittschiffs über Deck nach achtern bringen muss.
 
Der Bootsmann Rolf ist ein junger Spund, es ist sein zweites Schiff in dieser Position.  Ich halte ihn für einen Radfahrer, der zu früh befördert worden ist.  Außerdem führt er sich manchmal ganz schön affig auf.  Klopft gern dumme Sprüche und erwartet Beifall dafür.  Biedert sich beim Ersten an, wenn er sich morgens auf dem Brücke die täglichen Arbeiten für die Deckscrew abholt.  In der Messe geht es hierarchisch zu.  Wer von uns beiden zuerst an der Back sitzt, wird zuerst bedient, dann erst sind die Matrosen und dann die Junggrade dran.  Das ist nun mal so eingefahren.  An der Maschinenback ist‘s ähnlich, da ist der Storekeeper der alleinige Boss.
 
Wir fahren von Hamburg aus den üblichen Küstentörn, also Bremen, Rotterdam und dann, nachdem wir in Antwerpen wie üblich große Mengen Eisen geladen haben, geht‘s los über den Teich.  Zur Decksbesatzung gehören zwei Spanier und ein Portugiese.  Es ist das erste Mal, dass ich mit ausländischen Matrosen zusammen fahre, immerhin die Jungs verstehen ihr Handwerk.  Die Spanier stammen aus Pontevedra in der Provinz Galizien, da kommt die Elite her unter den seefahrenden Gastarbeitern.  Alles Fischer und gelernte Seemänner.  Der Portugiese ist etwas dunkelhäutig und stammt von den Cap Verdischen Inseln.  Der Jungmann ist ein Chilene mit deutscher Abstammung.  Der Kabelgattsmann ist am längsten an Bord; er kam direkt von der Bundesmarine, gehörte früher zur Stammbesatzung der Gorch Fock und deshalb hat man ihm den Matrosenbrief ohne die übliche Junggradfahrzeit sozusagen geschenkt.  Immerhin, so wie der sich beim Abschied vom Bund mit Ölzeug, Winterstiefeln und sonstigen für die Seefahrt nützlichen Dingen hinreichend eingedeckt hat, also da kann Hein Normal-Seemann schon neidisch werden.  Fehlt bloß noch die heizbare Unterwäsche.  Dann ist da noch ein Leichtmatrose, Stadler mit Namen.  Auch er war vorher bei der Marine.  Einer von der besseren Sorte; er kommt vom Schwarzwald und hat ursprünglich mal Heizungsbauer oder so was Ähnliches gelernt.  Ein verschmitzter Typ, so ein ganz listiger, aber ein sehr tüchtiger Mann und prima Kollege.  Und Kraft hat der, mein lieber Mann!  Ein Meister im Armdrücken.
 
Gleich Westausgang Englischer Kanal und bis kurz vor die Azoren bekommt uns ein starker Sturm zu fassen.  Vorgewarnt durch den Wetterbericht sind wir darauf vorbereitet.  Für den großen Seetörn sind die Luken ohnehin mit drei Persennings abgedeckt.  Alle Keile sind knallhart verschalkt, die Persennings mit Verschlusslatten gesichert.  Weil die Verschlusslatten im Laufe der Jahre schon ziemlich dünn gerostet sind, haben wir über die Persennings noch zusätzlich kreuzweise Geientampen drüber gezogen und stramm verzurrt.  Wenn nämlich der Wind von der verkehrten Richtung kommt, dann pustet er über die Lüfterköpfe auf den Masten mit Macht in die Luken rein und dann kann der Luftdruck so enorm stark werden, dass er die Persennings hochballt wie ein Zelt.  Und wenn’s der Teufel will, dann klatscht da ein Brecher drauf und dann haut‘s die Persenning aus den Schalklatten raus. Muss nicht, kann aber.  Bei so einem alten Dampfer ist‘s schon besser, lieber ein bisschen mehr als zu wenig zu machen.
 
Irgendwann nachts geht das dann los.  Wasser über Deck und Luken, wie’s so schön heißt.  Durch die schwere Stahlladung rollt der Dampfer kräftig, spielt Stehaufmännchen.  An die Schaukelei ist man ja gewöhnt; auch wenn’s mal ein bisschen mehr wird.  Aber – als ich morgens die Beine aus der Koje schwinge, stehe ich plötzlich in kaltem Seewasser, das mir eiskalt über die Füße rauscht.  Das verdammte Stahlschott nach draußen schließt nicht dicht und jedes Mal, wenn ein Brecher an die Verschanzung klatscht und durch die Wasserpforten durchhaut, dann schießt das Wasser quer übers Deck, die Wand am Deckshaus hoch und durch die weiten Ritzen direkt in meine Kammer rein.  Mein Gott, das ist ja wie vor hundert Jahren; wo bin ich bloß hier gelandet.  Die Schuhe im Spind sind schon abgesoffen.  Also alles vom Boden hoch und auf Heizerbank und Koje gepackt.  Bedeutet erst mal Aufräumungsarbeiten für mich.  Es wird Seewache gegangen mit drei Mann.  Ich selbst bin dritter Mann nur an der Küste und mich betrifft das nicht. Die Tagelöhner drücken sich in den Gängen rum, machen kann man ohnehin nichts.  Kurz vor Smoketime kommt der Scheich mit dem Milchgesicht in meine Kammer um sich den Schaden anzusehen, wie er sagt.  Hat gleich ne halbe Kiste Bier in einer Zinkpütz mitgebracht und jetzt sitzen wir mit hoch gezogenen Beinen auf Koje und Bank und genehmigen uns einen, während das Wasser buchstäblich unter unseren Füßen weiter hin und her rauscht.  Und mittendrin in der Bude schlittert die Zinkpütz mit den Holstenbuddels übers Eisendeck.  Mann, so’n Scheiß kann man eigentlich nur im Suff ertragen.  Es war eine der wenigen Gelegenheiten, wo ich mit dem Scheich mal privat zusammen hockte.  Der schleimte mir einfach zu viel beim Ersten oben rum.
 
Da ist ist der Storekeeper mit Namen Hans Lehr doch ein anderer Typ.  Ein Mensch, den es lohnt, näher zu beschreiben.  Story ist eher klein von seiner Statur, aber ungemein drahtig und flink, ja blitzschnell.  Auffallend sein federnd ausgreifender Gang; so bewegt sich sonst kein Seemann.  Keine Spur Fett am Körper, alles nur Muskeln und Sehnen.  Schwarzgelockte Haare, dunkle, sehr intensiv direkt blickende Augen. Mageres, scharf geschnittenes Gesicht, die gebräunte Haut dazu – in etwa so der Typ wie man sich damals einen rassigen Zigeuner vorstellte.  Er stammt aus Offenbach; spricht nicht gerade Dialekt, aber deutlich hessischen Akzent.  Ich hatte zu dieser Zeit meinen Wohnsitz  in Frankfurt und so verstehen wir uns ziemlich gut.  Hans ist in seinem ganzen Auftreten sehr bestimmend.  Man könnte sagen, ein richtiger Macho; wenn auch dieser Ausdruck damals noch gar nicht in Gebrauch war.  Hans ist stolz auf seine Fahrzeiten.  Die BRANDENBURG ist erst sein vierter Dampfer.  Auf den drei davor hat er durchweg vier Reisen abgerissen.  Da kommt einiges zusammen.  Vier Reisen als Heizer auf einem Turbiner in der Indonesienfahrt, das ist schon was.  Die Heizerkammern auf diesen Schiffen – LEIPZIG, LEVERKUSEN und LUDWIGSHAFEN sind mittschiffs direkt über den geheizten Tagestanks angeordnet.  Also monatelang die Tropenhitze durchstehen, Maloche im Heizraum und schlafen mit Hitze von unten.  Wer das solange durchhält, der ist gut.  Der Lohn dafür, in den indonesischen Häfen hatten die Heizer arbeitsfrei.   Und jetzt kann er sich die Fahrtgebiete aussuchen.  Er wollte anschließend unbedingt West­küste Süd fahren.  Die WORMS, die zu der Zeit gerade in Hamburg lag, war ein paar Stunden zuvor an einen anderen Storekeeper vergeben worden.  Hans ging an Bord, besuchte den Kollegen und bot ihm einen Fünfziger an, wenn er gleich wieder abmustern würde.  „Du kannst es dir aussuchen. Nimmst den halben Schein‘ und steigst aus, oder du lehnst ab und dann schlagen wir uns hinterm Schuppen. Wer gewinnt kriegt den Dampfer!“  Der andere überlegte gar nicht erst lange und nahm den Fünfziger.  
 
 
          Storekeeper Hans Lehr mit zugeflogenem Wanderfalken
 
 
Story besteht auf Pünktlichkeit und seine Jungs spuren auch.  Er versammelt seine Truppe jeden Morgen kurz vor sechs an der Kombüse.  Da zieht er gern eine Schau ab.  Die besteht darin, dass er am Spant unter der Decke (da gibt es so passende Aussparungen) seinen einarmigen Klimmzug produziert, einen?  Nein, gleich drei Stück nacheinander.  Wir haben noch zwei Mann an Bord, die das auch bringen, wenn auch mit Hängen und Würgen, aber eben nur jeweils einen.  Also der Erste Steward und der andere ist ein besonders sportlicher Assi.  Der Erste Steward heißt Hans-Jürgen Eckert.  Der ist überaus muskulös und stark wie ein Büffel.  Aber wegen seines Körpergewichts schafft er den „Einarmigen“ eben nur einmal.  (Wenn man das heute nachmachen wollte, dann hätte man allein schon damit ein Problem, überhaupt solche Deckenspanten zu finden; denn auf modernen Schiffen ist ja grundsätzlich alles glatt verschalt).
 
Unsere erste Reise geht nach Mexico.  Nur drei Häfen haben wir dort.  Der erste ist Coatzacoalcos.  Eine ziemlich hässliche Pier erwartet uns, als wir eines Morgens da ankommen.  Berge von giftig gelbem Schwefel liegen dicht bei unserem Liegeplatz, ungeschützt wartet das Zeug da auf seinen Abtransport.  Ansonsten sieht alles trist aus hier.  Ein paar Leute wissen Bescheid.  Abends dann „Was ist, kommste mit? – Wohin? Na, ins Campo.“  Mit zwei Taxis, die an der Pier gelauert haben, geht’s los.  Eine Fahrt von gut zwanzig Minuten durch die nächtliche Wüstenlandschaft, bis plötzlich an einem langen und hohen Stacheldrahtzaun angekommen, halten wir direkt vor einem Tor.  Ein paar Soldaten mit Gewehren über der Schulter halten Wache.  Wir müssen einen geringen Betrag in mexikanischen Pesos zahlen und dürfen durch.  Das Campo ist ein ziemlich großes, kaserniertes Bordell.  Wahrschein­lich für die Arbeiter in den Schwefelminen eingerichtet, aber Seeleute sind gleichfalls willkommen.  Es gibt zahlreiche Mädchen da, auch aus anderen Ländern von Zentralamerika.  Die Tarife richten sich einheitlich nach der Zeit.  Sie sind aber ziemlich moderat.  Das eigentliche ‚Geschäft‘ wird in den diversen Baracken auf dem Gelände abgewickelt.  Es gibt auch eine Cantina auf dem Gelände, wo man Bier bekommt, auch Tequila und knallbunte Limonade.  Und einfache Mahlzeiten.  Den Mädchen ist der Verzehr von Alkohol strikt verboten.  So richtige Stimmung wie man sie sonst kennt in der Karibik kommt deshalb nicht auf.  Das ist wohl Absicht, damit es nicht zu Saufgelagen kommt und zu Schlägereien.  Ich durchstreife mit zwei Mann vom Dampfer längere Zeit das Campo und erprobe mein bescheidenes Spanisch in der Konversation mit den Mädels.  Treffe unseren Blitz, der sich so wie es seine Art ist, als Voyeur aufführt.  Das heißt, er hängt überall alleine rum und geiert. Später in der Nacht treffe ich auch Hans, den Storekeeper.  Ich habe versäumt zu erwähnen, dass er zwar Alkohol grundsätzlich ablehnt, dafür aber eine seiner Leidenschaften der Drang ist, mit so vielen Frauen wie nur möglich Verkehr zu haben.  Das und seine besondere Vorliebe für dünne Frauen; je dürrer desto besser.  Die dicken sind ihm einfach ‚zu fickfaul‘, die klapperdürren aber, die kommen bei ihm richtig in Extase, meint er.  Ja, und der hat in den vergangenen Stunden - wie er selbstbewusst verkündet - schon acht Stück geschafft, ‚Short times‘ nämlich, ja – und mit der besten von den Damen will er jetzt noch eine Nachtschicht bauen.  Na ja, wenn er’s denn so nötig braucht …
 
Der nächste Hafen ist Veracruz.  Der einzige ‚Starhafen‘ auf diesem Trip.  Berühmt ist die Plaza dort, gleich dicht am Hafen.  Dieser große und beeindruckende Platz, von den Einheimischen ‚Zocalo‘ genannt, ist der von den spanischen Eroberern unter Cortez zuerst in Besitz genommene Ort des Landes; Veracruz ist damit die älteste Stadtgründung auf dem amerikanischen Kontinent.
 
Ich kenne mich hier nun überhaupt nicht aus und so schließe ich mich der größeren Truppe an, die mit zwei Taxis gleich hochfährt zum ‚Mi Ranchito‘.  Das ist das Bumslokal, wovon die eingefahrenen Mexikofahrer an Bord schon die ganze Reise geschwärmt haben.  Die geschmetterten mexikanischen Boleroklänge, schrille Trompetenfanfaren mit Geigenmusik unterlegt, man kann sie schon von weitem auf der Straße hören.  Mi Ranchito bedeutet übersetzt „mein kleiner Bauernhof“.  Na ja!  Der ganze Schuppen ist in Wahrheit eher eine große Scheune, ohne dass die von der Einrichtung her besonders beeindruckend ist.  Eine große Bar mit einer Batterie von Flaschen dahinter, die Eisboxen sind verdeckt unter dem Tresen.  Das Getränkeangebot beschränkt sich auf eiskaltes einheimisches Bier und ziemlich fuseligen mexikanischen Rum.  Ron Bacara‘ heißt das Zeug.  Und die Cola dazu, die machen die scheinbar selber, sie schmeckt jedenfalls nicht.  Die Jukebox ist bestens gesichert in einem soliden Drahtkäfig untergebracht, mit klein gehaltenen Durchgriffen für den Geldeinwurf und die Bedienungstasten.  Eine angebrachte Vorsichtsmaßnahme gegen fliegende Flaschen und Stühle.  Denn das hier ist ein richtiger Remmidemmi-Schuppen.  Aber die Hauptsache für Hein Seemann, das ist ja nun mal das weibliche Geschlecht.  Und davon gibt’s reichlich.  Von weiß bis milchkaffeebraun.  Und zupackend sind die vielleicht…  Da wird nicht lange gefackelt, man wird verteilt, oder erobert, je nachdem wie man’s sieht.  Wir haben Mühe, einen Platz am Tisch zu bekommen, immer quetschen sich gleich die 'Chicas' dazwischen.  Wir aber wollen erstmal einen trinken und Umschau halten, was denn überhaupt so los ist, bevor man sich von so einem Vogel einfangen lässt.  Okay, die Musik ist mitreißend und geht in die Beine und bringt irgendwann sogar mich zum Tanzen.  Und wenn man erst mal mit so einem braunen Temperamentsbolzen im Clinch über die Tanzfläche schiebt, dann wird es einem heiß.  Nicht nur die Luft im Saal dampft sondern ich auch.  Da tippt mich im Rausgehen einer unserer Assis an, ob ich mitkommen will zur ‚Bikini-Bar‘, hier ganz in der Nähe.  Na klar doch, von meiner Tanzmaus bin ich ohnehin nicht begeistert, und wenn man schon mal dieses Gefühl hat, dann lässt man’s lieber.  Bloß raus aus dem Schuppen.
 
Wir haben’s nicht weit; es sind nur wenige hundert Meter die leicht abfallende Straße runter. 
 

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